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Texte rund um die Hebammenarbeit | Geburt nach Kaiserschnitt

Ute Taschner

 

Die deutliche Zunahme der Kaiserschnittentbindungen in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass der häufigste Grund für einen Kaiserschnitt mittlerweile die Diagnose „Zustand nach Kaiserschnitt“ geworden ist. Unsere Autorin erläutert, warum bei der nächsten Entbindung in vielen Fällen auch eine normale Geburt möglich ist.

In Deutschland kommen immer mehr Kinder durch einen Kaiserschnitt zur Welt. Im Jahr 2012 waren es knapp ein Drittel aller Geburten. Dabei ist die Zahl der Geburten, bei denen es zu einer erheblichen Gefährdung für Mutter oder Kind kommt und die deshalb einen Kaiserschnitt erfordern, gleich geblieben. Verändert hat sich hingegen die Anzahl der sogenannten relativen Kaiserschnittindikationen, bei denen ein Ermessensspielraum besteht. Hier fällen Ärzte immer öfter die Entscheidung für den Kaiserschnitt. Nicht-medizinische Gründe wie etwa die bessere Planbarkeit von Kaiserschnittgeburten oder auch haftungsrechtliche Erwägungen, die durch die Strukturen im heutigen Gesundheitswesen bedingt sind, gewinnen dabei zunehmend an Einfluss (1).

Hinzu kommt: Kaiserschnitte reproduzieren sich selbst. Wird ein Kind mithilfe des Skalpells geboren, kommt das Nächste in 74 % der Fälle ebenfalls per Kaiserschnitt zur Welt. Damit ist die Diagnose „Zustand nach Kaiserschnitt“ zum häufigsten Grund für Kaiserschnitte geworden, obwohl das Dogma „Einmal Kaiserschnitt - immer Kaiserschnitt“ aus wissenschaftlicher Sicht inzwischen als überholt gilt. Eine Ursache für diese ungünstige Entwicklung scheint zu sein, dass Mütter und Mediziner die tatsächlichen Risiken von Geburten nach Kaiserschnitten häufig überschätzen. So tritt das gefürchtete Ein- oder Aufreißen der alten Narbe an der Gebärmutter während der Wehen mit einer Häufigkeit von 0,2 bis 0,5% sehr selten ein. Auf der anderen Seite wird zumeist vernachlässigt, dass auch der wiederholte Kaiserschnitt für Mutter und Kind mit Risiken verbunden sein kann. So steigt das Risiko für sogenannte Einnistungsstörungen der Plazenta, die mit lebensbedrohlichen Blutungen bei der Mutter und dem Verlust der Gebärmutter einhergehen können, mit jedem erneuten Kaiserschnitt an.

 

Gesundheitliche Nachteile

Trotz der deutlichen Zunahme der Schnittentbindungen von etwa 20% im Jahr 2000 auf knapp 32% im Jahr 2012 hat sich das klinische Ergebnis für Mutter und Kind in diesem Zeitraum nicht weiter verbessert (2). Im Gegenteil weisen immer mehr Studien auf gesundheitliche Nachteile hin, wenn Kaiserschnitte ohne eindeutige medizinische Indikation erfolgen (3).
Auch die psychischen Auswirkungen der Schnittentbindung wurden untersucht. Dabei konnte etwa festgestellt werden, dass zwar postpartale Depressionen nicht häufiger vorkommen, als nach vaginalen Klinikentbindungen. Mütter, die ihre Kinder durch Kaiserschnitte geboren haben, sind jedoch öfter unzufrieden mit dem Geburtserlebnis als Mütter nach natürlichen Geburten (4). Einige äußern das Gefühl, „versagt“ oder „etwas verpasst“ zu haben, „keine gute Mutter zu sein“ oder sie fühlen sich körperlich und seelisch verletzt (5). Andere kämpfen über viele Jahre hinweg mit ihren Geburtserlebnissen.
Nicht nur deshalb wünschen sich viele Frauen, die einen Kaiserschnitt hatten, beim nächsten Kind eine natürliche Geburt. Auch aus medizinischer Sicht sprechen etwa die schnellere Erholung der Mutter nach der Geburt und geringere Risiken für mögliche Folgeschwangerschaften dafür, diese Frauen zu einer natürlichen Geburt zu ermutigen. Doch wie kann die Begleitung aussehen und welche Bedürfnisse haben Mütter, die bereits einen oder mehrere Kaiserschnitte erlebt haben?

 

Die Begleitung nach Kaiserschnitt

Welche Begleitung Frauen nach Kaiserschnitt(en) konkret benötigen, hängt unter anderem davon ab, wie sie den operativen Eingriff erlebt haben und ob sie sich ein weiteres Kind wünschen. Zunächst ist es wichtig, die Geburt mit dem Arzt und/oder der Hebamme zu reflektieren. So können offene Fragen beantwortet, mögliche Irrtümer ausgeräumt und die Ereignisse während der Geburt besser eingeordnet werden. Dieses Gesprächsbedürfnis kann übrigens auch erst Monate oder sogar Jahre nach der Geburt auftauchen.
Mütter, die nach einer Geburt traurig, verunsichert oder verletzt sind, brauchen einen geschützten Raum, in dem sie über ihre Erlebnisse sprechen können. Nicht selten ist auch eine therapeutische Begleitung hilfreich. Unbewältigte traumatische Geburten wirken sich sonst unter Umständen auf die Beziehung zum Kind, die Partnerschaft, den Alltag oder die nächste Schwangerschaft aus6.
Als erster Schritt zur Selbsthilfe können Frauen auch dazu ermutigt werden, einen Bericht über die Geburt zu schreiben oder sich in Kaiserschnittgruppen mit anderen Müttern auszutauschen. Für den Fall, dass eine weitere Schwangerschaft angestrebt wird, sollte im Vorfeld gemeinsam mit Arzt und/oder Hebamme der gewünschte Geburtsmodus diskutiert und entsprechend vorbereitet werden.

 

Möglichkeiten und Wünsche in Einklang bringen

Viele Mütter fragen sich nach einem Kaiserschnitt: „Kann ich das nächste Kind normal bekommen?“ Dies sollte in einem ausführlichen Gespräch zwischen Mutter, Arzt oder Hebamme erörtert werden. Es gilt hier, gemeinsam die medizinischen Möglichkeiten mit den Wünschen und Vorstellungen in Einklang zu bringen. Dazu sollte unbedingt eine Kopie des OP-Berichtes und vielleicht auch des Geburtsjournals vorliegen. Vor allem der OP-Bericht ist für die Beratung der Mutter unerlässlich, denn er enthält Informationen über die Gründe für den vorherigen Kaiserschnitt und über die Schnittführung an der Gebärmutter. In seltenen Fällen ist diese nicht mit einer natürlichen Geburt vereinbar, weil das Risiko für eine Narbenruptur zu hoch wäre.
Erfolgte der Kaiserschnitt sekundär, also nach dem Beginn der Geburt, so kann das Geburtsjournal wichtige Hinweise darauf geben, wie es zur Indikationsstellung für den Kaiserschnitt kam. Oftmals zeigt sich dabei, dass der vorherige Kaiserschnitt das Ergebnis einer sogenannten Interventionskaskade war. Das bedeutet, dass ein zunächst harmlos erscheinender medizinischer Eingriff im Verlauf der Geburt weitere Eingriffe nach sich zieht und schlussendlich zu einem Kaiserschnitt führt.
Manche Ärzte raten aus Sorge vor Komplikationen recht schnell zum erneuten Kaiserschnitt. Doch in vielen Situationen ist eine vaginale Geburt möglich, etwa bei Zwillingen, Beckenendlage oder auch nach mehr als einem vorherigen Kaiserschnitt7. Aus diesem Grund sollten Mütter, die sich eine natürliche Geburt wünschen aber die Empfehlung zum wiederholten Kaiserschnitt erhalten, unbedingt eine Zweitmeinung einholen.

 

Mütter auf die Geburt vorbereiten

Eine Geburt nach Kaiserschnitt braucht etwas mehr Vorbereitung als eine „normale“ Geburt. Wo Strukturen und Rahmenbedingungen in der heutigen Geburtshilfe Kaiserschnitte begünstigen, ist es die Aufgabe von Müttern sowie ihren Ärzten und Hebammen, selbst Strukturen zu schaffen, die natürliche Geburten fördern.
Einige Mütter, die ihre Erfahrungen für das Buch „Meine Wunschgeburt - Selbstbestimmt gebären nach Kaiserschnitt“ aufgeschrieben haben, wählten den Ort der nächsten Geburt und ihre Hebamme besonders sorgfältig aus. Vor allem achteten diese Frauen darauf, sich während der Geburt sicher und geborgen zu fühlen. Wichtige Kriterien bei der Auswahl der Klinik sind eine möglichst niedrige Kaiserschnittrate und ob Frauen nach einem Kaiserschnitt dort gut beraten, ihre Wünsche und Bedürfnisse respektiert werden.
Bei der Wahl der Hebamme fragten die Frauen nach Erfahrungen mit Geburten nach Kaiserschnitt(en) und ob die Hebamme eine 1:1-Betreuung während Wehen und Geburt gewährleisten kann - falls auch die Begleitung der Geburt durch sie geplant ist. Die meisten dieser Frauen waren später mit ihrer Geburt zufrieden, selbst dann, wenn es wieder zum Kaiserschnitt kam.

 

Mentale Vorbereitung

Äußere Strukturen sind nur die eine Seite der Medaille. Auch teils wenig fassbare Aspekte, wie Körpergefühl, Selbstvertrauen und Zuversicht, spielen eine wichtige Rolle. Manche Mütter trauen sich, besonders dann, wenn der Kaiserschnitt wegen eines Geburtsstillstandes erfolgte, die nächste Geburt nicht zu. Kam es im Vorfeld des Kaiserschnitts zu einer Notsituation, besteht häufig die Angst, dies könne sich wiederholen. Es ist wichtig, solche Ängste ernst zu nehmen und gemeinsam mit der Mutter Strategien zu entwickeln, mit diesen Ängsten umzugehen. Viele Frauen, die nach Kaiserschnitt(en) natürlich geboren haben, können bestätigen, dass die mentale Vorbereitung auf die Geburt für sie entscheidend war. Diese Vorbereitung zielt unter anderem darauf ab, den Geburtsschmerz als physiologisch und für die Geburt notwendig annehmen zu können sowie ein gestecktes Ziel nicht vorschnell aufzugeben. Leichter Ausdauersport, Techniken wie Hypnose oder Yoga können dabei helfen. Kann eine Frau die Signale ihres Körpers interpretieren, so wird sie auch während der Geburt selbstbewusster mit den Herausforderungen umgehen können, die möglicherweise auf sie zukommen.

 

Doch wieder ein Kaiserschnitt

Auch die beste Vorbereitung kann eine natürliche Geburt nicht garantieren. Manchmal wird der erneute Kaiserschnitt von der Mutter, trotz gegenteiligem Vorsatz, selbst gewünscht und manchmal erfordern neu aufgetretene medizinische Gründe eine operative Geburt. Mütter sollten deshalb, auch dann, wenn eine natürliche Geburt geplant ist, einen alternativen Geburtsplan für den Fall eines Kaiserschnittes haben.
Die Auswahl der „richtigen“ Klinik spielt auch in diesem Fall eine große Rolle. Sind gewisse Standards bereits etabliert, erleichtert dies Müttern und ihren Kindern den Start. Wird im Falle eines Kaiserschnittes das Bonding im OP-Saal ermöglicht? Werden Mütter beim Stillen unterstützt? Wird beim geplanten Kaiserschnitt in der Regel der Wehenbeginn abgewartet, weil die Kinder dadurch nicht unter Anpassungsstörungen leiden? Gerade die Trennung von Mutter und Kind nach der Geburt sollte dringend vermieden werden, außer medizinische Gründe erfordern dies zwingend. Denn Mütter leiden zumeist sehr darunter und dies kann sich auf die Bindung zum Kind sowie den Stillbeginn auswirken.
Die Rate wiederholter Kaiserschnitte von 74% in Deutschland ist im europäischen Vergleich besonders hoch. Es muss erforscht werden, was Frauen in Deutschland davon abhält, nach einem Kaiserschnitt eine natürliche Geburt zu wählen und erfolgreich umzusetzen8. In einem weiteren Schritt gilt es Standards zu etablieren, damit Frauen eine evidenzbasierte Begleitung erhalten. Dabei dürfen die individuellen Bedürfnisse der Frau­en nicht vergessen werden. Die hier vorgestellten Schritte können ein erster Beitrag dazu sein.

Auf www.kaiserschnitt-netzwerk.de finden GeburtshelferInnen und Mütter, die sich näher mit ihrem Kaiserschnitt-Erlebnis beschäftigen möchten, nützliche Adressen.

 

Literatur

  1. Faktencheck Kaiserschnitt: Bertelsmann Stiftung 2012.

  2. Ebd.

  3. Taschner, Scheck: Meine Wunschgeburt – Selbstbestimmt gebären nach Kaiserschnitt, edition riedenburg 2012.

  4. DiMatteo, Morton, Lepper, Damush, Carney, Pearson, Kahn: Cesarean childbirth and psychosocial outcomes, a meta-analysis. Health Psychol, Jul 1996, 15(4), p. 303–14.

  5. Clement: Psychological aspects of caesarean section. Best Pract Res, Clin Obstet Gynaecol, Feb 2001, 15(1), p. 109–26.

  6. Elmir, Schied, Wilkes, Jackson: Women‘s perceptions and experiences of a traumatic birth: a meta-ethnography, Journal of advanced Nursing 66, 2010, p. 2142–2153.

  7. Tahseen, Griffiths: Vaginal birth after two caesarean sections (VBAC-2). A systematic review with meta-analysis of success rate and adverse outcomes of VBAC-2 versus VBAC-1 and repeat (third) caesarean sec-tions. BJOG, Jan 2010, 117(1), p. 5–19.

  8. OptiBirth 2013: www.optibirth.eu/optibirth

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in Dr. med. Mabuse, Zeitschrift für alle Gesundheitsberufe, Nr. 204 (Juli/August 2013). www.mabuse-verlag.de

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